EDEN

Die Obstbaukolonie Eden, zu Oranienburg gehörig, ist, so Judith Baumgartner im großen, zweibändigen Katalog über die Lebensreform, „die älteste noch bestehende lebensreformerische Siedlungsgenossenschaft“. 1893 von 18 Berliner Vegetariern gegründet, beruht das reformerische Konzept, wie das Wappen/Emblem mit den drei stilisierten Bäumen veranschaulicht, auf drei Gedanken: Lebensreform, Bodenreform und Wirtschaftsreform. Im Lauf ihrer 125-jährigen Geschichte hat nicht nur die Siedlung selbst, vom Nationalsozialismus über die DDR-Zeit bis hin zur Treuhand-gelenkten Nachwendezeit manche schwierige Zeit durchlitten, war dabei Veränderungen und Einschränkungen unterworfen und hat dennoch einen Kern von genossenschaftlicher Organisation und Identifikationspotenzial bewahrt. Auch die Gedanken der Lebensreform selbst haben einen mehrfachen Transformationsprozess durchgemacht. Ursprünglich als „kulturell und normativ außenseiterisches Modell mit oppositionellen Entwürfen zur zeitgenössischen Gesellschaft ein Projekt des wilhelminischen Kaiserreichs“ (Bernd Wedemeyer-Kolwe) wurden Teile der Bewegungen und Bestrebungen von der Siedlungspolitik der 1920er-Jahre, in ihrem völkischen Teil auch von der nationalsozialistischen Herrschaft integriert, während andere als „Barfusspropheten“ und radikale Außenseiter ins Abseits gedrängt wurden und in Vergessenheit gerieten. Dennoch wurden viele Reformansätze nach der zweiten, noch durchgreifenderen Industrialisierung der Nachkriegszeit im Verlauf der ökologischen Bewegung erneut virulent und auch als Vorläufer zeitgenössischer Bestrebungen wiederentdeckt.

 

RE-EDEN

Aus Berlin zogen die Gründer 1893 an der Rand der großstädtischen Agglomeration nach Oranienburg, das damals wie heute mit der S-Bahn erreichbar war. Sie praktizierten damit ein frühes Modell der Stadt-Land-Verbindungen, die heute unter dem Begriff des Rurbanismus wieder viel diskutiert werden: auf dem Land naturnah zu leben, Obst und Gemüse auf genossenschaftseigenen Grundstücken selbst anbauen, aber auch am Kulturleben der Stadt Berlin teilhaben. Während die Impulse der Lebensreform im Nationalsozialismus untergingen, hat sich Eden einen Kern der reformerischen Grundsätze bewahrt. Die deutsche Teilung und die Teilung Berlins schränkten jedoch die Verbindungen zum großstädtischen Zentrum ein: Eden geriet in eine Randlage.

Das Projekt Re-Eden möchte diese Verbindungen wieder herstellen und aktivieren, ausgehend von der Beobachtung, dass die Gedanken, die zur Gründung der Siedlung führten, in nur leicht veränderter Form heute wieder so aktuell sind wie nie. Zum 125-jährigen Bestehen Edens lädt das Projekt, organisiert vom eigens gegründeten Verein re:form e.V., Künstler*innen, Architekt*innen, Forscher*innen, Gruppen und Personen, die sich mit kooperativer Landwirtschaft, Urban Gardening, nachhaltiger Entwicklung, Geld- und Bodenreform oder dem Genossenschaftswesen beschäftigen, nach Eden ein, um ihre Wahrnehmung der Siedlung zu erfragen, praktische Ansätze zu erproben und die Gründungsgedanken Edens neu zu befragen. Lebensreform, Bodenreform und Wirtschaftsreform: Was haben diese Begriffe heute noch zu sagen? Was ist heute anders als zu Zeiten der Gründung und inwiefern müssen die Reformgedanken daher heute anders gedacht werden? Welche Rolle kann das lebendige Vorbild Eden dabei spielen?

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